Die Nationale Ethikkommission empfiehlt eine «Dritte Option»

Die Nationale Ethikkommission NEK ist der Ansicht, dass die heutige Regelung in der Schweiz die Vielfalt von Geschlechtsidentitäten nicht abzubilden vermag und fundamentale Interessen von Menschen mit nichtbinärer Geschlechtsidentität, transidenten und intergeschlechtlichen Menschen ausser Acht lässt. Die NEK empfiehlt in ihrer Stellungnahme deshalb – nebst «weiblich» und «männlich» – eine dritte Eintragungsmöglichkeit vorzusehen und mittelfristig den gänzlichen Verzicht auf die Eintragung des Geschlechts im Personenstandsregister vertieft zu prüfen.

Die Frage des registerrechtlichen Geschlechtseintrags ist in der Schweiz Gegenstand einer parlamentarischen Debatte, in deren Rahmen die NEK vom Bundesamt für Justiz gebeten wurde, zur heutigen Praxis und zu möglichen Alternativen aus ethischer Sicht Stellung zu beziehen.

Die derzeitige Regelung der Registrierung des Geschlechts im Personenstandsregister kennt nur zwei Geschlechter. Kinder können bei ihrer Geburt lediglich als «weiblich» oder als «männlich» eingetragen werden. Dies ist Ausdruck der binären Geschlechterordnung, die in unserer Gesellschaft tief verankert ist. Nach Ansicht der Kommission trägt die gegenwärtige Praxis der Vielfalt von Geschlechtsidentitäten, insbesondere Menschen, die sich weder (exklusiv) als Frau noch (exklusiv) als Mann identifizieren, intergeschlechtliche und transidente Menschen, ungenügend Rechnung. Sie kann für Betroffene schwerwiegende Einschränkungen bedeuten, die ihre Selbstbestimmung, die freie Wahl von Lebensvollzügen, aber auch den Schutz vor Diskriminierung betreffen.

In ihrer Stellungnahme erwägt die NEK unterschiedliche Möglichkeiten zur Änderung der Registrierung des Geschlechts: Die Einführung einer dritten Eintragungsmöglichkeit («divers») kann auf kurze Sicht die Sichtbarkeit und Rechte von Betroffenen stärken. Sie vermag die Vielfalt der Geschlechtsidentitäten jedoch kaum abzubilden und kann Stigmatisierung und Diskriminierung gar verstärken. Die NEK erachtet es aus ethischer Sicht daher als notwendig, den gänzlichen Verzicht auf die amtliche Registrierung des Geschlechts zu prüfen. Dieser vermöchte die Gleichbehandlung, die Anerkennung sowie den Schutz der Privatsphäre und der persönlichen Integrität zu fördern. Allerdings gilt es nach Meinung der Kommission stets auch zu beachten, dass die binäre Struktur kulturell tief verankert und breit akzeptiert ist.

Die NEK empfiehlt daher, in einem ersten Schritt eine dritte Eintragungsmöglichkeit zu schaffen, die möglichst viele Geschlechtsidentitäten zu umfassen vermag. Für die Wahl der dritten Eintragungsmöglichkeit ist auf besondere Voraussetzungen wie medizinische Gutachten zu verzichten. Die Verfahren zur Änderung eines bestehenden Eintrags des Geschlechts sind rasch, einfach und transparent auszugestalten.

Zugleich empfiehlt die Kommission, parallel zur Einführung einer dritten Eintragungsmöglichkeit den vollständigen Verzicht auf den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister, den sie als ethisch vorzugswürdige Lösung erachtet, vertieft zu prüfen. Dabei gilt es beispielsweise zu untersuchen, welche gesellschaftlichen und rechtlichen Voraussetzungen für einen solchen Verzicht notwendig sind. Die NEK appelliert zudem an alle Instanzen, weitere Anstrengungen zu unternehmen, um von der Geschlechtsregistrierung unabhängige Diskriminierung von Personen mit nichtbinärer Geschlechtsidentität, transidenten und intergeschlechtlichen Personen zu bekämpfen. Schliesslich ruft die Kommission in Erinnerung, dass medizinisch nicht notwendige geschlechtsangleichende Operationen an urteilsunfähigen Kindern zu untersagen sind.

Gemäss einer Medienmitteilung