Kein Geld mehr für die LGBT+ Beratung von der Stadt Bern

Ist es Zufall? Nach einem längeren Chat habe ich gestern Nachmittag einem jungen Schwulen geraten, sich doch unbedingt professionelle psychologische Hilfe zu holen. Ein paar Stunden später – kurz vor 22 Uhr – erreichte mich eine Nachricht von Tabea Rai aus dem Berner Stadtrat: Der Antrag der Alternativen Linke auf die bereits beschlossene Streichung von 40’000 Franken für die Beratungsleistung LGBT+ doch noch zu verzichten, wurde gerade deutlich abgelehnt.

Gerade der Frauenstreik und die Corana-Krise hätten deutlich gezeigt, dass es mehr und nicht weniger Bemühungen für die tatsächliche Gleichstellung braucht. Grundsätzlich gebe es zu wenige Beratungsangebote für LGBTIQ in Bern. «Diese sollten eher ausgebaut als gestrichen werden», schrieben die Antragstellenden in ihrer Begründung. Der Antrag wurde trotzdem mit 26 zu 41 Stimmen und sieben Enthaltungen abgelehnt. Entsprechend gross war die Enttäuschung bei Stadträtin Tabea Rai vor allem gerade gegenüber der SP. Sie schrieb mir gestern Abend via WhatsApp: «Die SP hat NEIN gesagt». Auch andere LGBT aus anderen Fraktionen hätten sich nicht geäussert und teilweise auch nicht dafür gestimmt. «… solche, die dann aber die ‹Plattform der queeren Community› gerne für den Wahlkampf nutzen.»

Und auch SP-Stadtrat Szabolcs Mihalyi äusserte sich enttäuscht: «Der Sparwahn ist selbst an unserer Partei nicht spurlos vorbei gegangen». Einzig Tabea Rai, Mohamed Abdirahim und eben er hätten vor der Abstimmung mit ihren Voten auf die Probleme von LGBTs bis hin zur Suizidalität hingewiesen. «Es half alles nichts!». Aber immerhin hätten sie was gesagt – im Gegensatz zu den rund zehn anderen LGBTs im Raum …

Wahlen

Am 29. November finden in der Stadt Bern die nächsten Wahlen statt. Gerne veröffentliche ich deshalb die Namensliste derjenigen Stadträt*innen, die mit einem Ja zur weiteren finanziellen Unterstützung des LGBT+ Beratungsangebotes gestimmt haben:

  • Eva Gammenthaler (AL)
  • Simone Machado Simone (GaP)
  • Marcel Wüthrich (GFL)
  • Szabolcs Mihalyi Szabolcs (SP)
  • Devrim Abbasoglu-Akturan (GB)
  • Timur Akçasayar (SP)
  • Joëlle de Sépibus (GFL)
  • Ayse Turgul (SP)
  • Sophie Achermann (GB)
  • Eva Krattiger (JA!)
  • Sarah Rubin (GB)
  • Manuel C. Widmer (GFL)
  • Lea Bill (GB)
  • Mohamed Abdirahim (JUSO)
  • Zora Schneider (PdA)
  • Oliver Berger (FDP)
  • Nora Krummen (SP)
  • Tabea Rai Tabea (AL)
  • Regula Bühlmann (GB)
  • Katharina Gallizzi (GB)
  • Daniel Rauch (SP)
  • Seraina Patzen (JA!)
  • Rahel Ruch (GB)
  • Ursina Anderegg (GB)
  • Seraphine Iseli (GB)
  • Rafael Egloff (JUSO)

Immer wieder Opfer der Sparwahns

Die Unterstützung der LGBT+ Beratung durch die Stadt Bern geht auf eine interfraktionelle Motion zur «Sicherstellung des Beratungsangebots für die LGBTI-Community» vom April 2017 zurück. Die unterzeichnenden Politiker*innen Rudolf Friedli (SVP), Janine Wicki (GFL), Tabea Rai (AL), Leena Schmitter (GB), Patrick Zillig (GLP), Dannie Jost (FDP), Philip Kohli (BDP/CVP) und Mohamed Abdirahim (JUSO) schrieben damals in ihrer Begründung, «dass Jugendliche der LGBTI-Community öfter als andere Jugendliche Suizid begehen». Trotzdem habe der Kanton Bern Ende 2016 die Unterstützungsleistungen an die LGBT+ Beratungen – damals noch durchgeführt durch hab queer bern – eingestellt. Grund sei eine «angeblich zu geringe Nachfrage nach dem Angebot». Tatsächlich suchten aber allerdings 300 bis 400 Menschen im Jahr Unterstützung.

Die Motion verlangte damals vom Berner Gemeinderat:

  • einen jährlichen Beitrag von 20‘000 Franken für die Aufrechterhaltung der psychologischen Beratungen im bisherigen Rahmen zu entrichten, bis der Kanton diesen Betrag wieder übernimmt
  • sich bei der Gesundheits- und Fürsorgedirektion dafür einzusetzen, dass der Kanton seinen bisherigen jährlichen finanziellen Beitrag wieder leistet.

In der Zwischenzeit wurde mit dem zugesprochenen Geld die LGBT+ Beratung in Zusammenarbeit mit der Fachstelle für die Gleichstellung von Frau und Mann der Stadt Bern profesionalisiert und durch die Aids Hilfe Bern durchgeführt.