Miserabler 23. Rang im europäischen Ranking rund um LGBTIQ-Rechte

Pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk erfahren wir jeweils kurz vor dem «International Day Against Homophobia, Biphobia, Interphobia and Transphobia» vom 17. Mai, dass wir in der Schweiz in Sachen Rechte und Gleichberechtigung noch immer zünftig im Rückstand sind.

In diesem Jahr ist die Schweiz gemäss der neuen «Rainbow Map» im europäischen Vergleich nur gerade auf dem 23. Platz (von 49 Ländern) gelandet. Dieses schlechte Resultat ist vor allem auf den mangelhaften Schutz von trans und intergeschlechtlichen Personen und das Fehlen grundlegender Massnahmen zur Gleichstellung am Arbeitsplatz und im Bereich von Ehe und Familie zurückzuführen.

Obwohl die Schweiz im letzten Jahr um vier Plätze nach oben gerückt ist, landet sie noch immer auf dem schlechten 23. Rang. Damit ist sie vor Italien auf dem zweitletzten Platz der westeuropäischen Länder, denn nur gerade 36 Prozent der empfohlenen Massnahmen zur vollen Gleichstellung und Achtung der Menschenrechte sind Gesetz. Die etwas bessere Platzierung im Vergleich zum letzten Jahr ist auf die Fortschritte durch die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm um «sexuelle Orientierung» sowie der Bundesgerichtsentscheid, dass das Diskriminierungsverbot der Bundesverfassung auch «Geschlechtsidentität» umfasst, zurückzuführen.

Die Schweiz bleibt somit hinter Ländern wie Griechenland (48 Prozent), Kroatien (46 Prozent), Slowenien (42 Prozent) und Bosnien-Herzegowina (37 Prozent) zurück. Am besten geschützt sind LGBTIQ-Personen nach wie vor in Malta (89 Prozent), Belgien (73 Prozent) und Luxemburg (73 Prozent).

Die Situation jedes Landes wird in sechs Kategorien bewertet. Obwohl die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm mit dem Kriterium der «sexuellen Orientierung» vom Volk angenommen wurde, erreicht die Schweiz in der Kategorie «Hassverbrechen und Hassreden» nach wie vor nur 13 Prozent. Der Grund dafür ist der fehlende Schutz von trans und intergeschlechtlichen Personen in diesem Bereich und fehlende Massnahmen gegen Hassverbrechen.

Die etwas bessere Platzierung der Schweiz in diesem Jahr macht Hoffnung, dass wir langsam, aber sicher vorwärtskommen. «Das Ergebnis ist jedoch immer noch miserabel für ein Land, das vorgibt, sich auch unseren Menschenrechten verpflichtet zu fühlen», seufzt Alecs Recher, Rechtsberater vom Transgender Network Switzerland (TGNS) und Schweizer Experte für ILGA Europe. «Trans und intergeschlechtliche Menschen – auch Minderjährige – sollten möglichst bald ihr amtliches Geschlecht selbstbestimmt in einem einfacheren Verfahren ändern können. Hier kann und muss das Parlament in der nächsten Session handeln. Aber auch der Schutz von geflüchteten LGBTIQ-Menschen ist noch völlig ungenügend.»

Dass wir noch immer keine «Ehe für alle» haben und damit auch keinen Schutz von Kindern und Familien, zieht uns stark nach unten. «Zusätzlich fehlt es an Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz und an Massnahmen zur Prävention von LGBTI-feindlichen Angriffen», ergänzt Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pink Cross.

Weitere dringende Forderungen betreffen den Schutz intergeschlechtlicher Menschen: Insbesondere ist es dringend, nicht notwendige Operationen und hormonelle Eingriffe zur Veränderung der Geschlechtsmerkmale ohne Zustimmung der betroffenen Person, speziell bei Kindern, ausdrücklich zu verbieten. Die Organisationen fordern auch die Entpathologisierung der Variationen der Geschlechtsentwicklung.

Intergeschlechtliche Menschen sind nicht krank. «Es ist die Medikalisierung und Pathologisierung, die uns krank macht», sagt Audrey Aegerter, Präsidentin von InterAction. «Die Rainbow Map zeigt, dass intergeschlechtliche Menschen in der Schweiz, sowie in ganz Europa, nicht geschützt sind». Trans Menschen ihrerseits wird regelmässig der Zugang zu notwendiger medizinischer Versorgung verwehrt, vor allem von den Krankenkassen, die ungerechtfertigt ihre Leistungspflicht für geschlechtsangleichende Massnahmen ablehnen.