«Der Kampf geht ab morgen weiter!»

Kurz vor zwölf traf ich heute Mittag auf der Grossen Schanze ein, wo das nationale Abstimmungskomitee die Community versammelte. Fast gleichzeitig begann das Schweizer Fernsehen die Berichterstattung aus dem Abstimmungsstudio.

Und kurz nach zwölf war bereits klar: Die Schweiz wird gemäss Hochrechnungen mit über 60 Prozent der Erweiterung der Rassismus-Strafnorm mit dem Kriterium «sexuelle Orientierung» zustimmen. Entsprechend ausgelassen war die Stimmung unter den Anwesenden, die begeistert die verteilten Regenbogenfähnchen schwenkten, sobald eine Kamera auf sie gerichtet war.

Und um 16 Uhr stand dann das definitive Resultat fest: 63,1 Prozent haben bei einer Stimmbeteiligung von knapp 42 Prozent für die Erweiterung gestimmt. Am deutlichsten zugestimmt hat der Kanton Waadt mit über 80 Prozent, der Kanton Bern mit knapp 60 Prozent und abgelehnt haben die Vorlage die Kantone Uri, Schwyz und Appenzell Innerrhoden.

Über zwei Tonnen

Der Aufwand für dieses tolle Resultat war auch entsprechend riesig. Unzählige Freiwillige haben das JA-Komitee der LGB-Dachverbände unterstützt und 220’000 Flyer verteilt, was einem Gewicht von über zwei Tonnen Papier entspricht. Über 47’500 Buttons wurden in der ganzen Schweiz verteilt und 20’000 Regenbogenfahnen aufgehängt.

«Ich war nicht immer davon überzeugt, dass wir es schaffen werden», sagte heute der strahlende Geschäftsleiter von Pink Cross, Roman Heggli. «Als allerdings innerhalb von einer Woche 10’000 Regenbogenfahnen bestellt wurden, war ich sicher, dass wir es als starke Community schaffen werden.»

Wie geht es nun weiter?

Diese Frage beantwortete heute Nachmittag Florian Vock, Vorstandsmitglied von Pink Cross und Grossrat im Kanton Aargau, in einer Ansprache: «Zuerst müssen wir jetzt dafür sorgen, dass dieses Gesetz auch zum Gesetz wird. Wir müssen dafür sorgen, dass die Polizei und die Staatsanwaltschaften auch verstehen, dass Gewalt und Hass passiert und dieses Gesetz auch anwenden.» Das sei nicht selbstverständlich und dazu brauche es unseren ganzen Einsatz, ergänzte Florian Vock. Auch müssten wir jetzt auch dafür sorgen, dass Hassverbrechen endlich statistisch erfasst werden, was das Parlament in der Frühlingssession diskutieren werde: «Wir wollen keine Gesellschaft, wo es zu unserem Alltag gehört, wo Menschen verprügelt werden, dass lesbische Paare sexualisiert werden und im Internet über uns alles gesagt werden darf, als gäbe es keine Menschenwürde.»

Für Nationalrätin Tamara Funiciello ist es sicher, dass es nach dem nun gewonnenen Abstimmungskampf einen Schritt weiter gehe: «Es wird bald die ‹Ehe für alle› ins Parlament kommen und da gibt es unterschiedliche Varianten. Es gibt eine Variante ‹Partnerschaft plus›, wo man uns eigentlich nicht gleichstellen will.» Es könne nicht sein, betont Tamara Funiciello in ihrer Rede weiter, dass wir 2020 in einem Land leben, wo nicht alle Menschen die gleichen Rechte und Pflichten hätten. «Und wenn wir das nicht kriegen, dann werden wir wieder hier stehen und wir werden wieder darum kämpfen, dass wir genau gleich wie alle anderen die gleichen Rechte und die gleichen Pflichten haben und unser Kinder den gleichen Schutz geniessen wie alle anderen Kinder auch. Der Kampf geht ab morgen weiter!»

Gegen die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm hatten die Junge SVP und die EDU mit einem Referendum gekämpft und sprachen von einem «Zensurgesetz». Und nach der Abstimmungsniederlage warnt die SVP nun vor «politisch motivierten Urteilen», die Junge SVP gar vor «Gesinnungsterror». Und auch für Hans Moser, dem Präsidenten der EDU, geht der Kampf weiter: «Wir werden die christlichen Werte weiterhin verteidigen». Seine Partei werde aktiv gegen die «Ehe für alle» kämpfen.